Aergernis Gammelpilze vom Markt 2
Stefan vom Pilzticker Hessen antwortet am 8. Mai 2022 auf die heutige Leserpost von Thomas zum Thema Gammelpilze:
"Hallo lieber Thomas,
ich hatte eigentlich nicht vor, das Thema aufzumachen, aber nun spreche ich doch mal ein paar Punkte an.
Dass dort, wo ich die Morcheln ausgebracht habe, nächstes Jahr welche zu erwarten sind, das ist natürlich mit einem zwinkernden Auge gemeint. Es ist der Versuch, noch etwas Sinnvolles aus der Misere zu machen und allemal besser, als sie in die Biotonne zu verfrachten.
Dazu auch noch die Anmerkung, dass ich natürlich alles, was verdorben war, reklamiert und dafür auch nicht bezahlt habe. Ich bin ja nicht wahnsinnig.
Foto rechts: Marktpilze mit Strahlkraft! Die verschiedenen Täublinge, die strahlenden Sommersteinpilze und die leuchtenden Pfifferlinge sind von allerschönster Qualität. Entdeckt hat sie Pilzfreund Thomas auf dem Liliom-Piac, dem Lilienmarkt, in der Ortschaft Kaptalantoti am Plattensee in Ungarn. Bei diesem Anblick wird deutlich, was sich Stefan auch hierzulande wünscht! (Archivfoto © Thomas H. vom 25.8.2020)
Aergernis Gammelpilze vom Markt 2
Ein sehr wichtiger Aspekt in diesem Zusammenhang ist meiner Meinung nach die Gesetzeslage zum Thema Pilze in diesem Land. Viele, viele Vorschriften des Natur- und Artenschutzes sind alt, verstaubt und schon lange nicht mehr zeitgemäß. Von der Angstmacherei bei Überschreitung der Sammelbeschränkungen ganz zu schweigen.
Den Etikettenschwindel unterbinden!
Würde man die Gesetzesgrundlage nach neuesten Erkenntnissen unter ernsthafter Beachtung von Naturschutz und Nachhaltigkeit anpassen und ausgewählten, gut ausgebildeten Fachkräften das gewerbliche Sammeln erlauben und würde man die Pilze bei den Händlern professionell kontrollieren, so hätten wir wie in vielen anderen Bereichen einen guten Wirtschaftszweig mit ständig guter, frischer Ware.
Die Regionalität würde hier vieles vereinfachen, da lange Transportwege entfallen.
Wenn ich mir vorstelle, dass ich wirklich „Profis“ aufgesucht habe auf diesem Gebiet, wird mir schlecht bei dem Gedanken, welche Ware im Restaurant auf dem Teller landet.
Ich bin mit vielen meiner Händler gut befreundet und erfahre schon mal, welcher Etikettenschwindel gar nicht selten betrieben wird. So haben Pfifferlinge, Steinpilze und z.B. auch Spitzmorcheln, die angeblich aus Deutschland stammen, in Wirklichkeit eine weite Reise aus Weißrussland oder der Türkei hinter sich. Dass das auf Kosten der Frische geht, liegt auf der Hand.
Ein Etikettenschwindel anderer Art ist der, dass Pilzsammler wie du und ich, also Personen ohne Gewerbeanmeldung, dem Händler Speisepilze verkaufen, die der auch sehr gerne nimmt, nämlich deshalb, weil sie aus den nahen lokalen Wäldern stammen, also frisch und knackig sind. Um den örtlichen Lieferanten und sich selbst zu schützen, bietet der Händler sie vorsichtshalber als Einfuhrpilze aus der Türkei oder aus Weißrussland an.
Andere Länder sind weiter als Deutschland
Wenn also sowieso im großen Stil getrickst wird, warum lockert man die Zügel im Bereich des Sammelns nicht, nimmt dafür aber Logistik, Lagerung und Verkauf professionell ins Auge?
Dieses Thema ist überaus festgefahren!
Das gesamte Thema Pilze, Kulinarik, Gastronomie, Handel etc. hat in Deutschland wenig Tradition, so dass sich Stolz und Achtung für diesen Zweig nie entwickeln konnten. Ich habe das schon des Öfteren angesprochen. In Ländern wie Italien direkt vor Ort oder auch jüngst im Elsass konnte ich diesbezüglich deutlich erfreulichere Erfahrungen machen.
Foto: Wer hat schon Lust, diese alten, angeschmatzten, madigen Steinpilze zu kaufen? 25 Euro hat der Verkäufer auf dem Markt in Bergamo/Italien für die ollen Hüte aufgerufen. Das Problem minderwertiger Ware scheinen nicht nur Händler hierzulande zu haben. Pilzfreund Martin vom Pilzticker Schweiz fotografierte die C-Ware am 21. Oktober 2021. (Foto © Martin)
Aergernis Gammelpilze vom Markt 2
Die Menschen dort wertschätzen das von A-Z: von den Menschen, der sammeln, anbauen und ernten über alle Beteiligten der Gastronomie bis hin zu den Endkonsumenten, die ausgezeichnete Ware zuhause genießen möchten.
Ich hatte beim Aussortieren der Speisemorcheln einen Koch neben mir stehen, der meinte: „Wow, wunderschöne Morcheln, oder?“ Wir hatten anschließend ein recht langes Gespräch, denn da musste ich einiges richtig stellen.
Die Meisten haben kaum Ahnung davon, schlechte Kenntnisse im Sinne der Warenkunde und wissen es einfach nicht besser. Weil sie in den allermeisten Fällen keinerlei Zugang zum Naturprodukt Pilze haben. So nimmt man hierzulande gutgläubig, was man bekommt.
Der gegenwärtige Hype um Pilze muss genutzt werden
Zum Thema Pilze und Kulinarik muss noch sehr viel Pionierarbeit geleistet werden, damit wieder so etwas wie eine Kultur und damit auch Wertschätzung entsteht. Da ist im Zeitalter der Industrialisierung und Globalisierung vieles verloren gegangen, vieles wurde verlernt.
Es gibt seit einiger Zeit einen regelrechten Hype um Pilze und Naturprodukte im Allgemeinen, bis hin zu alten Techniken wie beispielsweise der Fermentation. Das ist zu begrüßen, das ist eine Chance, man muss nur den richtigen Umgang damit finden und viel Aufklärung betreiben.
Ich habe mir mit meinem Versuch, frische Morcheln zu kaufen, keine Freu(n)de gemacht und viel Ärger auf mich gezogen, aber damit (hoffentlich) auch einiges bei ein paar Menschen bewegt, bei Händlern und Küchenchefs, also durchaus bei Schlüsselfiguren.
Das war nicht angenehm und es gab dabei auch den ein oder anderen, der völlig uneinsichtig war, aber um diese Einzelfälle geht es mir auch nicht. Sie aufklären zu wollen ist Zeitverschwendung.
Wichtig ist, dass es um die Sache geht und eine gesunde Wertschätzung entsteht, dass man sich respektvoll austauscht und beiderseitig dazulernt.
Herzlichste Grüße, Stefan
P.s.: Ich schätze deine Beiträge sehr, sie sind immer gehaltvoll und ein Zugewinn für jeden Interessierten! 👍🏻"
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Trockene Wälder, wochenlang kaum oder gar keine Pilze... Das muss nicht sein! Mit der vorzüglichen Pilzbrut von Hawlik hat das ein Ende. Wie wäre es zum Beispiel mit köstlichen Limonenpilzen?
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