Foto: Peter Karasch in Aktion: Oft ist der Pilzexperte der Deutschen Gesellschaft für Mykologie (DGfM) mit seiner Kamera im Wald unterwegs, um spannende Motive rund um das Thema Pilze einzufangen. Seine Leidenschaft sind das Kartieren von Pilzen, der Naturschutz - und Öffentlichkeitsarbeit. (Foto © Peter Karasch/Privat)
Das Interview
Wir erleben gerade eine Rekord-, vermutlich eine Jahrhundertdürre: Seit April gibt es so wenig Niederschläge wie noch nie auf mitteleuropäischem Boden. Viele Pilzfreunde fragen sich: Dürfen wir überhaupt noch mit den klassischen Herbstpilzen rechnen oder ist das Pilzjahr bereits gelaufen? Kann die historische Trockenheit zu Schäden im Wurzelgeflecht von Pilzen führen? Droht gar das Szenario, dass bislang ergiebige Fundstellen von Speisepilzen beschädigt werden oder sogar erlöschen?
Peter Karasch, ausgewiesener Pilzexperte von der Deutschen Gesellschaft für Mykologie (DGfM), beantwortet uns diese und weitere spannende Fragen.
passion-pilze-sammeln.com: Herr Karasch, die lange, hartnäckige Trockenheit hat dem Waldboden schwer zugesetzt. Dürfen die Pilzfreunde wenigstens noch im September und Oktober auf Speisepilze hoffen?
Peter Karasch: Das hängt in erster Linie von den Niederschlagsmengen und Temperaturen ab. Ab einer Regenmenge von 60-100 Litern je Quadratmeter reagieren viele Pilzarten nach längeren Trockenperioden. Diese müssen nicht auf einmal fallen, das könnten z. B. innerhalb einer Woche auch dreimal 20-40 Liter sein. Wenn dann die Böden wieder gut durchfeuchtet sind, gibt es in der Regel gutes Pilzwachstum.
Ich bin optimistisch, dass zwischen September und November die klassischen Herbstpilze trotz der Sommerhitze noch gut wachsen werden. Ein Top-Jahr wie 2017 kann es aber nicht mehr werden.
p-p-s.com: Es soll gerade in diesen Tagen deutschlandweit heftige Gewitterregen mit teils ergiebigen Niederschlägen geben. Kann es in der Folge zu kurzfristigem Pilzwachstum kommen?
Peter Karasch: Langjährige Erfahrungen zeigen, dass wir da zwischen drei unterschiedlichen Zeitintervallen unterscheiden müssen.
Saprobionten, also Folgezersetzer wie z.B. alle Champignon-Arten, die sich von toter organischer Substanz ernähren, erscheinen nach guten Niederschlägen innerhalb von 10 bis 14 Tagen.
Mykorrhizapilze wie Steinpilze und Maronen erscheinen meist innerhalb von zwei bis drei Wochen.
Alle Pilze, die am Holz leben, wie z. B. Krause Glucke, Eichhase oder Stachelbärte, brauchen noch etwas mehr Zeit, meist drei bis fünf Wochen. Da aber das Wirtsholz die Feuchte länger speichert, sind diese Pilze auch dann noch da, wenn der Waldboden ringsum bereits wieder ausgetrocknet ist.
p-p-s.com: Mit welchen Pilzarten darf man nach dieser Dürre als erste rechnen?
Peter Karasch: Mit Wiesenchampignons auf naturbelassenen Weiden, aber auch mit Riesenschirmlingen wie dem Parasol. Sie treten besonders nach warmen, trockenen Phasen oft nach 10 bis 14 Tagen in großen Mengen auf. Auch Freunde von Nelkenschwindlingen könnten dann recht schnell fündig werden.
Foto rechts: Es war im August des Jahres 2006, als Karl-Hermann Berchtold beinahe einen ganzen Doppelzentnersack voll Wiesenchampignons geerntet hatte. Entdeckt hatte er sie auf einer Pferdekoppel im Landkreis Starnberg/Obb. Zuvor hatte es bei Temperaturen um 30 Grad einige Wochen lang nicht geregnet. Es war genau das Szenario, das Peter Karasch in diesem Interview beschreibt. (Foto © p-p-s.com)
Das Interview
p-p-s.com: Kann eine Dürre in dieser Länge und bei dieser Austrocknungstiefe die Wurzelgeflechte (Myzelien) der Pilze dermaßen schädigen, dass es sogar zum Erlöschen ganzer Fundstellen kommt?
Peter Karasch: Nach bisheriger Beobachtung und Erfahrung sind solche Folgen noch nicht bekannt. Die Myzelien sind an solche Trockenphasen angepasst. Was allerdings passiert, wenn wir solch hartnäckige Trockenperioden wie dieses Jahr vier oder fünf Jahre hintereinander haben, kann man sich ausmalen.
p-p-s.com: Der Steinpilz ist mit Abstand der beliebteste Küchenpilz der Deutschen. Kann diese Trockenheit sein Aufkommen in den nächsten Jahren beeinträchtigen?
Peter Karasch: Solange die Partnerbäume der Fichtensteinpilze nicht nachhaltig geschädigt sind oder sogar absterben: eher nein. Erst wenn große Fichtenbestände deutlich geschädigt oder abgestorben sind, gibt es an den betroffenen Wuchsorten auch keine Fichtensteinpilze mehr. Packt‘s die Fichte nicht, packt‘s leider auch ihr Partner, der Steinpilz, nicht mehr.
Vielleicht läuft es aber auch umgekehrt herum. D.h., wenn die Pilze als essenzielle Wasser- und Nährstoffversorger der Bäume mehr oder weniger ausfallen, stirbt der Wald.
p-p-s.com: Welche Pilzarten könnten durch die Klimaveränderungen Ihrer Meinung nach am ehesten in ihrem Bestand gefährdet sein?
Peter Karasch: Z. B. alle Arten, die als Partner an Bäume gebunden sind, die infolge extremer Witterung absterben. Auch Pilzarten, die ihre letzten Lebensräume in Hochlagen haben, die sich nun immer stärker verändern. Bei uns gibt es ja derzeit noch einen mehr oder weniger zuverlässigen Wechsel von heiß-trockenen, durchwachsenen oder gar kühl-feuchten Jahren. Bislang konnten sich also die gestressten Pflanzen dann meist wieder erholen. Wenn aber künftig mehrere aufeinander folgende Jahre mit extremer Trockenheit und Hitze kämen, könnte sich daran nachhaltig etwas ändern.
p-p-s.com: Hat diese Dürre eventuell Auswirkungen auf die kommenden Frühlingsspeisepilze wie Morcheln, Maipilze oder Rötlinge?
Peter Karasch: Eher nicht, denn für die Frühlingspilze ist meiner Erfahrung nach die Witterung im direkt vorausgehenden Winter und Frühjahr bis zum Erscheinen entscheidend. Die Niederschlagsmengen in den vorausgehenden drei bis fünf Monaten spielen sicher schon eine Rolle – mir sind aber keine Studien bekannt, die eine nachvollziehbare Relation zwischen der Fruchtkörperentwicklung im Frühjahr und der Witterung im gesamten Vorjahr zeigen.
Foto: Sommersteinpilze wie diese zwei Prachtexemplare reagieren auf die steigende Wärme positiv - und breiten sich zunehmend aus. Mancher Pilzfreund dürfte sie erstmalig in seinen angestammten Revieren entdecken. (Archivfoto © Margit/Pilz-Ticker-RP)
Das Interview
p-p-s.com: Ist es möglich, dass wir in Deutschland kurz- bis mittelfristig mit mehr mediterranen Pilzen wie Kaiserling, mehr Königs- und Silberröhrlingen, aber z. B. auch giftigen Ölbaumpilzen zu rechnen haben?
Peter Karasch: Für die drei Erstgenannten tritt das wohl leider deshalb nicht ein, weil sie bei uns viel zu selten geworden sind, um sich durch Aussporen einen signifikant größeren, neuen Lebensraum erschließen zu können. Bei Kaiserlingen und auch einigen selten gewordenen Dickröhrlingen kommt noch hinzu, dass sie naturnahe alte Buchen- und Eichenwälder benötigen. Also Lebensräume, die durch Übernutzung ohnehin schon rar geworden sind.
Wir können aber jetzt schon beobachten, dass etwa das Judasohr in Höhenlagen und Regionen klettert, wo es noch vor einigen Jahren nicht zu finden war. Z. B. Fransige oder Einsiedlerwulstlinge und Sommersteinpilze sind auch dabei, sich infolge der Erwärmung auszubreiten.
p-p-s.com: Herr Karasch, vielen Dank für dieses aufschlussreiche Gespräch!
Interview: Heinz-Wilhelm Bertram (8. August 2018)
Zur Person:
Peter Karasch, Jahrgang 1966, ist seit 2012 Beauftragter für Öffentlichkeitsarbeit bei der Deutschen Gesellschaft für Mykologie (DGfM).
Er ist seit 1995 Pilzsachverständiger DGfM und machte 2008 seinen Abschluss als universitätsgeprüfter Fachberater für Mykologie.
Der ausgebildete Gartenbautechniker im Garten- und Landschaftsbau ist heute als freiberuflicher mykologischer Sachverständiger tätig und im Nationalpark Bayerischer Wald als Projektkoordinator für die »Funga des Böhmerwalds« angestellt.
In der DGfM ist er seit 2006 im Ehrenamt als Landeskoordinator für die Kartierung der Pilze in Bayern zuständig und pflegt die Datenbank der Pilze Bayerns. Außerdem arbeitet er an Forschungs-Projekten des Nationalparks Bayerischer Wald und bei vielen weiteren Institutionen mit.
Pilzkartierung, Naturschutz, Öffentlichkeitsarbeit sowie die Aus- und Weiterbildung von neuen Schwammerlfreunden sind seine Leidenschaft. Peter Karasch wohnt im Landkreis Freyung-Grafenau im Bayerischen Wald.
Das Interview
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