Folgende Frage stellte der Schweizer Pilzfreund Roland:
«Hallo Heinz-Wilhelm,
an einem in unserem Gebiet bekannten Morchelort werden leider Jahr für Jahr sehr viele kleine und junge, noch nicht ausgewachsene Morcheln gepflückt. Kann das dem Morchelplatz schaden? Wird er vielleicht sogar mal eingehen, so dass gar keine mehr wachsen?
Denn ich denke, in diesem zu jungen Stadium hat die Morchel doch noch gar nicht absporen können? Bis jetzt haben wir zwar nicht einen eindeutigen Rückgang des Vorkommens festgestellt, aber ich habe einfach das Gefühl, dass das Pflücken zu junger Morcheln nicht gut ist.
Vielen Dank und freundliche Grüße
Roland»
Foto: Zwei junge Morcheln in etwa der doppelter Höhe von Gänseblümchen. Bedenkt man, dass sie bis zur Rekordhöhe von 30 Zentimetern wachsen, so sind diese klein und jung. Dennoch kann man sie guten Gewissens ernten (© ostromec - Fotolia.com).
«Hallo Roland,
vielen Dank! Diese Frage ist sehr spannend, weil sie nicht nur Morcheln, sondern fast alle Speisepilze betrifft.
Natürlich sind Sporen für die Vermehrung von Pilzen sehr wichtig. Es ist ein nachhaltiger Beitrag zum Bestandserhalt, wenn sie unangetastet Fruchtkörper bilden und aussporen können.
Das wissen wir alle, das denken wir alle. Und wir sind uns da ganz sicher... Jetzt ahnst Du vielleicht schon, was folgt...
Du wirst vielleicht aus dem Staunen nicht herauskommen, wenn Du Folgendes liest:
In der Schweiz gab es von 1975 bis 2005 eine weltweit bislang einzigartige Langzeitstudie im Pilzreservat La Chanéaz bei Payerne, Kanton Freiburg.
Durchgeführt wurde sie von der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL). Dabei wurde u. a. der Einfluss des Pilzesammelns auf die Vermehrung bestimmter Pilzarten und auf die Artenanzahl insgesamt untersucht.
Foto: Diese vier Morcheln sind wahrhaftig klein. Wer sie in dieser Größe findet, sollte sie trotzdem mitnehmen. Nicht nur, weil das das Aufkommen im nächsten Frühjahr nicht einschränkt. Kenner versichern: Kleine Morcheln haben ein besonders intensives Aroma (© Cornerman - Fotolia.com)
Das Ergebnis - es gilt natürlich auch für junge Morcheln - war sehr bemerkenswert. In der Zusammenfassung der Studie heißt es wörtlich:
„Die abgeschlossenen Auswertungen zeigen, dass das vollständige Absammeln aller in den Probeflächen gebildeten Fruchtkörper über 29 Jahre weder die Fruchtkörpermenge noch die Artenvielfalt beeinträchtigt, unabhängig davon, ob die Pilze gepflückt oder abgeschnitten werden.“
Eine zweite Studie im subalpinen Reservat Moosboden bei Plaffeien, ebenfalls Kanton Freiburg, bestätigte das Ergebnis. Das Gesamtresultat deckte sich haargenau mit dem einer 13 Jahre dauernden Studie in Oregon/USA in den 1980er Jahren speziell für Pfifferlinge (Eierschwämme).
Ein ganz konkretes Ergebnis aller dieser Studien war, dass das Myzel, also das Wurzelgeflecht (der eigentliche Pilz) in der Erde oder, wie bei den Morcheln, im organischen Substrat aus zergehendem Holz, Nadeln, Blättern und Gräsern, von weit größerer Bedeutung für den Bestandserhalt ist als die Sporen.
Das ist für uns Pilzsammler zunächst einmal ein hoch erfreuliches Ergebnis. Dennoch dürfen wir es nicht als Aufruf zu mykologischem Freibeutertum verstehen. Dr. Simon Egli, Hauptbeteiligter an der Studie, relativiert:
„Das mit dem Sammeln verbundene Betreten des Waldbodens hingegen hat sich als negativer Einfluss erwiesen: auf nicht betretenen (mit Laufstegen versehenen) Flächen wurden signifikant mehr Fruchtkörper gezählt als auf normal begangenen Flächen.
Foto: Schöne Speisemorchel zwischen Bärlauchpflanzen. Zu beachten ist, wie gut sie sich den hinter ihr liegenden Ästen farblich anpasst (© ixvor - Fotolia.com)
Allerdings scheint dieser Einfluss reversibel (reparabel) zu sein, das heisst, nach Absetzen des Betretens bilden sich die Fruchtkörper wieder im normalen Rahmen aus. Die Mycelien im Boden scheinen also durch das Betreten nicht nachhaltig geschädigt zu werden.“
Diese Ergebnisse stellen die regional zum Teil scharfen Sammelbeschränkungen mehr oder weniger in Frage. Dennoch haben Einschränkungen, so Egli, durchaus positive Aspekte: „Sammelbeschränkungen verhindern den Raubbau und ermöglichen eine gerechtere Verteilung einer natürlichen Ressource des Waldes.“
Für Dich, Roland, bedeutet das, dass Du frei nach Deinem Gewissen junge Morcheln ernten kannst. Solange das Myzel nicht durch grobe Erdverletzngen zerstört wird, wirst Du auch im kommenden Frühjahr Deine Freude an neuen Morcheln haben.
Im übrigen weiß man heute, dass ein Myzel über 1000 Jahre alt werden kann.
Also, einen langen Atem :-) und guten Erfolg wünscht Dir
Heinz-Wilhelm»
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Trockene Wälder, wochenlang kaum oder gar keine Pilze... Das muss nicht sein! Mit der vorzüglichen Pilzbrut von Hawlik hat das ein Ende. Wie wäre es zum Beispiel mit köstlichen Limonenpilzen?
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