Nur ein Pfifferling: Da wurde
aus Kevin ein richtiger Pilzsammler



Kevin steht wie sein Großvater auf den Pfifferling. Schon als kleiner Junge spürte er zu gerne auf eigene Faust diesen Pilz auf. Er konnte es kaum erwarten, dass Brigitte Debus, seine Großmutter, ihm davon sein Leib- und Magengericht zubereitete. Und zwar nach Art der Spitzenköche.

Hinter denen braucht sich die gebürtige Düsseldorferin wahrhaftig nicht zu verstecken. Denn speziell vom "Eierschwammerl" zaubert sie wahre Gourmet-Gerichte auf den Tisch.

Kevin, 1990 geboren, wohnt im gleichen Haus wie Ehrenfried und Brigitte Debus. Nur eine Etage höher. Der Junge ist ein Naturbursche, wie er im Buche steht. Dem Kleinsten, was es draußen zu entdecken gibt, rückt er auf die Pelle. Wenn er auf seine Streifzüge geht, dann grundsätzlich mit neun, zehn Naturfachbüchern, Notizblock und Lupe im Rucksack.


Foto: Kevin mit goldener Ernte: Er kennt im südlichen Rothaargebirge ein halbes Dutzend Fundstellen für Pfifferlinge und weiß fast auf den Quadratmeter genau, wo er sie zu suchen hat. Jahr für Jahr wachsen sie zuverlässig.



Mit seiner Neugier und seiner Hingabe verkörpert Kevin jenen ausgestorbenen Typus angehender Biologiestudent, der mit seinem feurigen Entdeckergeist für einige Jahre alles um sich herum vergisst. Wiederholt hat er dem Pilzmuseum in Bad Laasphe, nur gut drei Kilometer entfernt, bestaunenswerte Pilzfunde überbracht.


Hier findest Du herrliche Pfifferlings-Gerichte von Brigitte Debus


Er bestand die Nagelprobe mit dem Gallenröhrling

„Kevins Artenkenntnis geht längst über meine hinaus“, freut sich Ehrenfried Debus. Immer wenn er einen der kleinen unscheinbaren Pilze nicht kennt, ruft er seinen Enkel herbei. In keine besseren Hände als in Kevins konnte der Familienschatz „Pilze“ bei der Familie Debus weitergereicht werden.

In den Ferien habe der Heranwachsende das Dorf stets gemieden: „Er streunerte nur im Wald und in Triften herum.“ Vor Jahren schon hat ihn Ehrenfried Debus einmal auf die Probe gestellt: „Da habe ich ihm einen Gallenröhrling untergeschoben. Zu Hause bei der Auslese hat er ihn sofort ausgesondert.“



Kevin kennt das Hainbachtal wie seine eigenen Hosentaschen. Kein Wunder, denn bereits mit vier Jahren begleitete er seinen Großvater auf dessen Pilzgängen. Er weiß genau, welche Arten er am Großen Apfelbach finden wird, der sich wegen des hohen Eisengehalts im Boden mit seiner rostroten Färbung im scheinbaren Krankenstand talwärts schlängelt.

Auf den Quadratmeter genau weiß er, wo er seinen erklärten Liebling, den Pifferling, zu suchen hat. Das gilt auch für die entfernten Reviere weit nördlich von Wallau.


Foto: Pfifferlinge in dieser Güte findet Kevin an seinen Flecken fast jedes Jahr von Juni bis Oktober. Sein Ziel ist es, zu den bekannten alljährlich eine neue Stelle zu entdecken. Bislang ist es ihm stets gelungen.


Er ist bestens im Bilde darüber, wo die Steinpilze warten. Und das manchmal in einer Größe, die zu ungläubigem Kopfschütteln Anlass gibt: „Da stehen uralte Buchen und Eichen weit auseinander. Und dann die Steinpilze! So groß, als wollten sie sich den Baumriesen anpassen. Das ist ein Wald! Ein Klassiker ist das!“

Die Farben der Pilze begeistern ihn stets aufs Neue

Er weiß genau, wo nach leichten Frostnächten noch stattliche wurmlose Maronen mit schon aufgeschlagenen Huträndern geduldig ihrer Verwertung harren. Kein essbarer Täubling, Träuschling, Trichterling, Ritterling, Rasling, Schwindling, Rübling, Seitling, Schüppling entgeht seiner Kenntnis, seinem Auge und Begehr.

Er kennt die Stelle, wo sein Großvater einmal im Winter auf Blaue Austernseitlinge stieß, genau. Ein wahrhaft seltener Fund. „Von denen hat Opa aber nur soviel mitgenommen, dass es für eine Mahlzeit reichte. Das fand ich prima.“

Gar nicht satt sehen kann er sich an den Farben der Pilze. Häufig sind seine Entdeckungen begleitet von einem spontanen Ausruf: „So ein intensives und trotzdem ruhiges Rot habe ich noch nie gesehen!“



Foto links: Hier steht Kevin nicht nur auf sehr steilem, sondern vor allem auf besonderem Grund: Diesen Pfifferlingsboden entdeckte sein Großvater im Jahr 1973 bei einem Sonntagsspaziergang. Ein kleiner, unscheinbarer Pfifferling hatte ihn auf die Stelle aufmerksam gemacht. Seit Jahrzehnten hält Familie Debus hier zuverlässig Ernte.




Auch „seine“ Brätlinge findet er Jahr für Jahr

Bei einer Neu- oder seltenen Wiederentdeckung kniet er sich hin und beschnuppert den Fund intensiv. „Jede einzelne Art würde ich am liebsten allein am Geruch erkennen“, lacht Spürnase Kevin.

Hin und wieder packt er seine Bücher aus und befasst sich mit den Merkmalen eines Pilzes. Bis zu zehn Minuten hockt er studienhalber auf dem Waldboden. Besonderheiten finden in einem separaten Fach in einem seiner Spankörbe Platz. Zu Hause wird er sie eingehend untersuchen. „Mein Ziel ist es, jeden Pilz im Rothaargebirge bestimmen zu können. Jeden“, sagt er mit Nachdruck.



Da gibt es wohl gut zu tun: 67 Kilometer lang ist das Gebirge in seiner Längserstreckung. Einen der Besten aber hat er bereits aufgespürt. Und obwohl er ihn nur aus der Literatur kannte, wusste er sofort: „Es war ein Brätling.“ Acht Stück hat er 2009 nebeneinander gefunden.


Foto: Handtellergrosse Exemplare wie dieses hier hat Kevin im Jahr 2011 in großer Anzahl gefunden. Er schaut schon wieder den Hang hinauf, wo es erneut golden aus dem Laub glänzt.


Die Interessen seiner Mitschüler teilte Kevin nie. Fast immer stand er auf dem Pausenhof allein. Lieber vertiefte er sich in seine mitgebrachten Bücher über Flora und Fauna. „Jeden Euro gibt er für seine Bücher aus“, so Opa Ehrenfried. Es war nicht immer leicht, die Spötteleien und Sticheleien der anderen zu ertragen.

„Er wird einmal großen Reichtum mit seinen Pilzen und den Wäldern haben“, ist Ehrenfried Debus sicher. Er selbst hat nie in der Kneipe gehockt, hat nie eine Zigarette geraucht. „Die Biere, die ich in meinem Leben getrunken habe, kann ich an einer Hand abzählen. Alkohol macht einen nur fertig.“

Im Wald erleben sie die Jahreszeiten sehr bewusst

Debus ist ein Handwerks- und Technikgenie. Leicht hätte er Karriere bei den Marktführern der Metallindustrie machen können. Dafür aber hätte er Wallau verlassen müssen. Er sagt dazu: „Man hätte mich mit Geld zuschütten können: nie wäre ich hier weggezogen. Ohne meine Wälder wäre ich kaputt gegangen.“

„Seine“ Wälder – oft durchkämmt er sie zusammen mit seiner Frau – heißen Großer Kahn oder amtlich korrekt Rossberg, Haardt, Buchholz und Gehnberg.



Foto rechts: Da kommt Freude auf: Wieder hat Kevin zwei herrliche Pfifferlinge gefunden. Doch mit seinem Opa entdeckt er auch immer wieder Pilzraritäten. Dem Pilzkundemuseum im nahen Bad Laasphe brachten sie schon so manchen seltenen Fund. Museumschef Volker Walther lobt: "Die Zwei sind die besten Pilzsucher weit und breit."




Der Gehnberg ist ein Ausläufer des mächtigen Rothaargebirges. In ihm sind Sackpfeife und Didoll bevorzugte Sammelgründe. Den Gang durch das Jahr erlebt die Familie Debus in enger Verbundenheit mit diesen Wäldern, die ihnen einen reichen, erfüllten Alltag schenken.

Der Platz in der Pilzküche gehört unangefochten Brigitte Debus. Die gebürtige Düsseldorferin versteht es meisterhaft, einen gewöhnlichen Wochentag mit exklusiven, ja festlichen Pilzgerichten unnachahmlich zu bereichern. „Oma kann aus einem einzigen Pfifferling ein Gourmetgericht zaubern“, versichert Kevin.



Foto links: Der Pfifferlingsbeutel steht etwas entfernt, deshalb wählt Kevin als Behältnis kurzerhand den "Kängurubeutel" seines Pullis. Bei dem Anblick geht man gerne in die Knie und lächelt zufrieden...




„Der Bengel wollte nicht verraten, wo die Pfifferlinge stehen“

So krönt sie in der Küche, was mit dem Fund im Wald begonnen hatte. Bei der bewussten Speise, eingeleitet durch ein Tischgebet, schließt sich der Kreis der bestmöglichen Selbstversorgung, die die Familie Debus wie selbstverständlich pflegt. Kevin, der Verehrer des Pfifferlings, wird sie fortführen - da ist sich Ehrenfried Debus sicher.

Als sie unlängst trotz intensiver Suche nur einen einzigen Pfifferling fanden, schlug sich der Junge auf dem Rückweg unbemerkt in die Büsche. „Und auf einmal steht der vor mir, die Hände voller Pfifferlinge. Das Schönste aber war: der Bengel wollte mir ums Verrecken nicht verraten, wo er die gefunden hat. Da wusste ich: Jetzt ist aus Kevin ein richtiger Pilzsucher geworden.“

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