Urlaubspilzticker 10:
Funde vom 01.09.2022 - 18.09.2022



Der Urlaubspilzticker 10




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Übersicht aller bisherigen Urlaubspilzticker




Auf den Märkten in Kaunas und Riga stehen Pilze hoch im Kurs

Die Schale Hexeneier gibt es für 18 Euro, ein Kilo schönster Pfifferlinge für 6 Euro


Pfifferlinge sind gefragt. Es gibt sie lose oder abgepackt in Eimerchen. (Foto © Thomas H.) 18.9.2022

Markus schreibt am 18. September 2022:

"Lieber Heinz-Wilhelm,

Meinen Bruder Thomas hat es vor ein paar Wochen dienstlich nach Litauen verschlagen. Was er in Kaunas, der diesjährigen Europäischen Kulturhauptstadt, und auf der Rückreise in Riga, der Hauptstadt Lettlands, auf den Märkten entdeckt hat, ist vielleicht eine Erwähnung im Urlaubs-Pilzticker wert.

Die Marktmütterchen verkaufen Pilze & Gemüse voller Würde

Massen an Pfifferlingen allerbester Qualität werden dort feilgeboten, und zwar sowohl von professionellen Händlern als auch von Frauen und Mütterchen, wie wir beide die manchmal hoch betagten Frauen liebevoll nennen, denen wir seit unseren ersten Reisen nach Osteuropa zu Beginn der 1990er Jahre immer wieder begegnen: arm sind sie, aber würdevoll.

Und sie wissen noch zu würdigen, was die Natur zu bieten hat. Für ein paar Groschen verkaufen sie auf dem örtlichen Markt, am Straßenrand und vor dem Bahnhof, was sie im eigenen Bauergarten und auf dem Feld geerntet oder in den tiefen Wäldern gesammelt haben. So finden sich Stachelbeeren neben Pfifferlingen, Gurken neben Täublingen, Heidelbeeren neben Rotkappen und so weiter ...

Die Hexeneier sind gefragte Heil- und Marktpilze 

Interessant ist, dass Pfifferlinge im Baltikum quasi literweise verkauft werden, also in Behälter abgefüllt und nicht gewogen. Sie werden z. B. als "Halber Liter" deklariert (2. Foto rechts). Aber es gibt auch einen Kilopreis, und der lag bei bester Qualität, Sauberkeit und Frische (siehe 3. Foto rechts) bei rund 6 Euro.

Auch Birkenpilze, Rotkappen, Reizker und Täublinge hat Thomas bei seiner Reise Anfang August auf den Märkten gesehen; es war wohl gerade keine Steinpilz-Zeit. Eine Kuriosität sind "Hexeneier", also die "ungeschlüpften" Stinkmorcheln, welche als Heilmittel zu einem vergleichsweise hohen Preis von 18 Euro die Schale angeboten werden.

Viele Grüße Markus"

Anmerkung: Die Brüder Thomas & Markus berichten oft in den Pilztickern BaWue und Rheinland-Pfalz von ihren Funden



2 Fotos: Eine Schale mit Hexeneiern kostet 18 Euro. Sie scheinen sich zu verkaufen, sonst hätten die Marktfrauen sie nicht im Angebot. Eine Augenweide sind die Beerenschalen mit Blaubeeren, gelben und roten Johannisbeeren und Stachelbeeren. (5 Fotos © Thomas H.)

Der Urlaubspilzticker 10


Piemont: Der Koch weigerte sich, Flockis und Anhängselröhrlinge zuzubereiten


Bea schreibt am 18. September 2022:

"Hallo Heinz-Wilhelm,

wir waren eine Woche als siebenköpfige Wandergruppe im Val Stura (südwestliches Piemont) stationiert. Erstaunlich, in welcher Höhe (teils über 2400 m) hier noch Pilze wachsen. Wir fanden sehr viele Goldröhrlinge und gleich daneben Hohlfußröhrlinge (die ich persönlich noch nie gefunden hatte).

Ich konnte einige meiner Mitwanderer fürs Pilze suchen begeistern, und so sammelten wir an einem Tag eine paar Steinpilze, Flockenstielige Hexenröhrlinge und Anhängselröhrlinge. Der Koch des Hotels weigerte sich jedoch, etwas anderes als Steinpilze zu verwerten. Mir blutete das Pilzerherz!

Dafür tischte er uns jeden zweiten Tag Riesenbovist in verschiedenen, jedoch stets etwas schwammigen Zubereitungsarten auf. Für mich bestätigte sich einmal mehr, dass Italiener grundsätzlich nur auf Funghi Porcini, also Steinpilze, aus sind.

Riesenboviste, die ich lieber fotografiere als esse, trafen wir auf unseren Wanderungen auch an. Sie wuchsen inmitten steiniger, baumloser Umgebung zahlreich und einmal sogar in etwa 2100m üNN.

Herzliche Grüsse, mittlerweile wieder aus der Schweiz, Bea"

(Foto © Bea/Privat)

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Sehr lesenswert!

Andreas' große Balkan-Tour mit türkischer Ägäis, Bulgarien, Rumänien und Mazedonien

Besuch in der zentralen Sammelstelle für Steinpilze in Nordmazedonien

Andreas vom Pilzticker Bayern schreibt am 1. September 2022:

"Lieber Heinz-Wilhelm,

nach langer Pause melden wir uns mal wieder. Wir sind seit längerem im südöstlichen Europa unterwegs (Elternzeit macht's möglich) und natürlich ist unser Interesse an Pilzen stets mit dabei.

Wir haben die letzten Monate die türkische Ägäis, Bulgarien und Rumänien bereist und sind jetzt in Mazedonien angekommen. Für den Urlaubsticker wollte ich dir gerne einige Eindrücke schicken.

An der türkischen Ägäis war im Juni/Juli pilztechnisch ‚tote Hose'. Auch Ausflüge ins bergige Hinterland waren zwar sehr interessant, aber es gab keinerlei Pilze zu entdecken. Ob es in diesen Gegenden normalerweise nennenswertes Pilzaufkommen gibt, weiß ich nicht, aber es war so knochentrocken, dass ich mir das zu dieser Jahreszeit kaum vorstellen kann.

Im Juli haben wir uns hauptsächlich in Bulgarien (Strandscha-Nationalpark, Zentralbalkan-Gebirge, Donauebene) aufgehalten. Dort das gleiche Bild. Obwohl wir ausgiebige Spaziergänge in Wald und Wiese unternommen haben, haben wir keinen Pilz erspähen können. Und weiterhin war es in allen Gegenden knochentrocken und teils sengend heiß. Wir hatten zu dem Zeitpunkt seit zwei Monaten keinen Tropfen Niederschlag miterlebt.

Der Robinien-Schwefelporling blieb unangetastet

Seit Anfang August waren wir in Rumänien unterwegs. Und dort wurden wir endlich fündig, und zwar ganz unerwartet. An einer Robinie mitten in der Innenstadt von Hermannstadt/Sibiu wuchs ein Schwefelporling (2. Foto). Trotz besten Alters blieb er am Baum, denn mir ist bekannt, dass Baumpilze möglicherweise Gifte ihrer Wirtsbäume aufnehmen können und dies bei der Robinie auch diskutiert wurde. Da eine schnelle Internet-Recherche hier keine eindeutigen Ergebnisse lieferte, blieb der Pilz eben an Ort und Stelle. Keine Experimente!

Auch Mitte August war es weiterhin sehr trocken, allerdings stießen wir durch Zufall auf ein Pilznest. Wir überquerten die Transfagarasan, eine der weltweit schönsten Passstraßen, und beim Abstieg an der Südseite machten wir Rast an einem breiteren Bach. Und tatsächlich blitzte es am bewaldeten Ufer gelb. Schnell durch den Bach gewatet und eine Gruppe von Pfifferlingen war gefunden.

Wir suchten daraufhin natürlich den Bachlauf ab und hatten an mehreren anderen Stellen weitere Erfolge. Stolz zeigt unsere Maja auf dem 1. Foto unser Fundergebnis. So gab es zum Abendessen Pfifferlinge und einen Flockenstieligen Hexenröhrling. Hier hat uns sicher die Feuchtigkeit des Bachs geholfen, denn geregnet hatte es an diesem Ort sicher auch länger nicht.

Auf Du und Du mit Bären 

Bemerkenswert war auch, dass im Fagarasan-Gebirge Bären leben und tatsächlich entdeckten wir auch deren Kothaufen entlang einer deutlichen Wildfährte am Bachufer. Und bei der Weiterfahrt am späten Abend standen dann tatsächlich an drei Stellen Bären am Straßenrand. Zweimal eine Mama mit je 2 bzw. 3 Jungen und ein einzelnes Männchen. Hat zwar nicht direkt etwas mit Pilzen zu tun, war aber ein tolles Erlebnis, vor allem für die Kinder, die vom sicheren Beifahrersitz schauen durften (siehe nächstes Foto).

Zurück in Bulgarien, besuchten wir das Rila-Gebirge. Hier war der Boden feuchter und ich konnte an einem Nachmittag bei einem kurzen Sprung in den Wald ein wahres Pilzmeer entdecken. Mit Janosch auf dem Arm konnte ich allerdings nur sieben schöne Steinpilze mitnehmen.

Das gibt's doch nicht: Ein Kofferraum voller Steinpilze!

Daneben gab es Unmengen Täublinge, Semmelstoppelpilze, einzelne Pfifferlinge und unzählige, nicht näher bestimmte Lamellenpilze, einen Schönfußröhrling und viele Korallenpilze. All dies in einem dichten Fichtenwald auf ungefähr 1600m üNN. In einem Tal tiefer im Rila-Gebirge gab es für mich eine bisher unbekannte Zusammenkunft: In einem Mischwald auf über 1500m üNN fand ich in nächster Nachbarschaft einen Steinpilz, einen Parasol und Pfifferlinge; das hatte ich bisher so nicht erlebt.

(Der Urlaubspilzticker 10)

Mittlerweile sind wir in (Nord-)Mazedonien angekommen und waren in Delchevo, in der Nähe der bulgarischen Grenze, auf einem Spaziergang zu einem kleinen Kloster. Da fährt ein alter Jeep vorbei und ich denke mir: Das gibt's doch nicht, der Kofferraum ist doch voll mit Steinpilzen!

Aber auch hier ist es knochentrocken, es scheint seit Wochen nicht geregnet zu haben, so dass die Familie überzeugt davon war, dass ich mich verschaut hatte. Doch dann auf dem Weg zurück in die Stadt entdecken wir am Stadtrand den Jeep an einer Abladestation eines Pilzhändlers.

Und tatsächlich, die einzige Ware, die dort angeliefert wird, sind Steinpilze. Alle recht alt und an den Hüten mit deutlichen Rissen. Jetzt wissen wir immerhin, dass es Pilze gibt, wenn man wie die Einheimischen weiß, wo man suchen muss. Und es wird auch einmal mehr klar, wo die Pilze in Massen kommerziell geerntet werden.

(Der Urlaubspilzticker 10)

Männer mit riesigen Plastiksäcken voller Pfifferlinge auf dem Rücken

In den nächsten Tagen geht es weiter in den Pelister-Nationalpark in Mazedonien, wo wir vor 5 Jahren ebenfalls eine Begegnung mit professionellen Pilzsammlern hatten. Dort kamen uns im Nationalparkgebiet bei einer Wanderung ein halbes Dutzend Männer entgegen, jeder mit einem riesigen Plastiksack voller Pfifferlinge auf dem Rücken.

Mal schauen, was wir dieses Jahr sehen. Immerhin haben jetzt die Gewitter eingesetzt und es hat lokal heftig geregnet. Also sollte es jetzt passen, auch wenn wir im Nationalpark natürlich alles stehen lassen, wie es das Gesetz vorschreibt.

Liebe Grüße nach Deutschland und allen Pilzliebhabern einen erfolgreichen Pilzherbst!

Ich habe den Pilztickern Bayern und Baden-Württemberg entnommen, dass bisher aufgrund Niederschlagmangels eher Flaute war.

Viele Grüße Andreas mit Familie"

Foto rechts: Die zentrale Sammelstelle für Steinpilze. Obwohl die Pilze sichtlich alt, trockenheits- und hitzegeschädigt sind, gestattete der Betreiber Andreas ein Foto. Vielen Dank für diesen seltenen Einblick! 

(4 Fotos © Andreas G.)


Lieber Andreas,

vielen Dank für diese wirklich spannenden und lebhaften Schilderungen! Einfach einmalig, dass wir Leser so nah dran an Euren Abenteuern rund um Pilze und Bären sein dürfen!

Im Namen der hier versammelten Pilzfreunde wünsche ich Euch noch einen weiterhin erlebnisreichen und gesunden Urlaub!

Herzliche Grüße Heinz-Wilhelm

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